Die Forderung nach Augenhöhe ist en vogue ̶ für das Coaching, in Gesprächen, Konfliktlösungen und generell in der agilen Welt. Aber was bedeutet denn Augenhöhe konkret und wie kann sie gelingen?
Einen wichtigen Beitrag leistete Thomas Harris 1967 mit seinem Bestseller „Ich bin OK ̶ du bist OK.“ (Transaktionsanalyse). Er beschrieb darin unter anderem die Überwindung von Selbst- und Fremd-Entwertung.
Wir alle erleben täglich, wie schnell sich Entwertung und Unsicherheit einschleichen können: „Warum redet er wieder so lange…?“ bringt das Gegenüber ins „Nicht-OK“. „Warum gelingt es mir einfach nicht, ihn mit einer Intervention elegant zu unterbrechen…?“ bringt mich selbst ins „Nicht-OK“. Hier sind wir etwa als Coaches besonders gefordert und brauchen die ständige Überprüfung, ob wir uns selbst oder das Gegenüber immer noch in der „OK-Position“ haben.
Im Verständnis der Dialogforschung bedeutet Augenhöhe den Verzicht bzw. das Hinterfragen von Druck, Manipulation und Opferhaltung (darum ist „Respekt“ in meinem „Dialog-Radar“ auch eine der sieben Qualitäten).
Fehlende Augenhöhe kann durch eine geeignete Intervention wiederhergestellt werden, zum Beispiel durch das “Parieren“: als der damalige wiederum kandidierende Präsident Ronald Reagan 1984 in der letzten TV-Debatte vom Moderator auf sein beträchtliches Alter (73) angesprochen wurde, konterte er, er wolle das jugendliche Alter und die Unterfahrenheit seines Widersachers (Walter Mondale, 56) hier nicht ausnutzen. Dies löste ein riesiges Gelächter aus, auch bei Mondale selbst und die Altersfrage war vom Tisch.
Und wie sieht es in der Geschäftswelt aus, wo die Hierarchie (schon aufgrund des Gesetzes) zum System gehört? Und selbst dort, wo man versucht hat, die Hierarchie abzuschaffen, sind Rang und Macht ungleich verteilt, mindestens implizit.
Ist die Begegnung auf Augenhöhe in diesem Kontext ein idealistischer Mythos, der nur auf peer to peer-Ebene funktionieren kann? (Ähnlichkeiten mit meinem Familiennamen sind übrigens rein zufällig… 😉)
Ich sehe durchaus die Möglichkeit, eine „dynamische Augenhöhe“ auch im Führungsalltag erfolgreich zu praktizieren. Wie das geht und wie man damit Resonanz erzeugt, wird im folgenden Blog (9) erläutert .